Leben

Joseph Bernhart (1881-1969)

Joseph Bernhart in jungen Jahren (1910)
Joseph Bernhart in seinem Arbeitszimmer (ca. 1950)
Joseph Bernhart mit Bundespräsident Theodor Heuss im Kulturkreis des Bundesverbands der Deutschen Industrie (1952)

Joseph Bernhart ist am 8. August 1881 in Ursberg geboren und am 21. Februar 1969 in Türkheim gestorben. In Krumbach verbrachte er die ersten Lebensjahre. Während seiner Schulzeit im Münchener Ludwigsgymnasium erarbeitete sich Joseph Bernhart mit unstillbarem Lesehunger und intellektueller Auseinandersetzung mit dem Glauben viele seiner Kenntnisse selbst.

Nach dem Abitur nahm er 1900 das Studium der Theologie an der Universität München auf, das ihm in der Philosophie neue Horizonte öffnete, ihn aber auch in seinen als fest erachteten Glaubensfundamenten erschütterte. 1904 empfing er die Priesterweihe.

Nach einigen zugewiesenen Kaplanstellen, bei denen er sich zu Recht unterfordert fühlte, übernahm er die Stelle eines Sekretärs der „Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst“.

Im Jahr 1910 promovierte er an der Universität Würzburg im Bereich der mittelalterlichen Mystik. Weiterhin stand er als gefragter Prediger und für seelsorgliche Aushilfen zur Verfügung. Im selben Jahr durfte er beim Deutschen Katholikentag in Augsburg als jüngster Redner in der Geschichte dieser Veranstaltung zum Thema „Bildungsaufgaben der deutschen Katholiken“ sprechen.

Nach kurzer Rückkehr in die Seelsorge als Benefiziat in Murnau im Herbst 1910 versuchte Joseph Bernhart Ende 1911 an der Universität Jena die philosophische Dissertation zu erlangen. Er studierte Latein, Germanistik und Geschichte, um sich auf eine universitäre Laufbahn vorzubereiten. Doch im Juli 1912 verließ er Jena ohne Abschluss.

1911 war ein entscheidendes Jahr für Joseph Bernhart. In seiner vorherigen Tätigkeit als Sekretär der Gesellschaft lernte er seine zukünftige Ehefrau Elisabeth Nieland kennen. Er kam zur endgültigen Einschätzung, dass er nicht an den Weihealter hätte treten dürfen. Die Entscheidung für die Theologie sei die richtige gewesen, nicht aber die für das Priesteramt. Für seine Person erkannte er, der Ergänzung durch die Frau im umfassenden Sinn zu bedürfen und daher den Zölibat nicht leben zu können. Die ehelose Lebensform der Priester an sich stellte er damit in keiner Weise in Frage, vielmehr sah er darin eine große Kraftquelle für die Kirche.

Da er eine offizielle Laisierung nicht für möglich hielt, wusste er keinen anderen Ausweg als den, 1913 in London standesamtlich zu heiraten. Bernhart glaubte, die Eheschließung in England habe für Deutschland keinerlei rechtliche Gültigkeit. Damals schien es ihm die einzige Möglichkeit, um keinen öffentlichen Skandal heraufzubeschwören und sich in Treue zur Kirche ein Leben als katholischer Schriftsteller aufzubauen.

Selbstverständlich übte er ab diesem Zeitpunkt das Priesteramt nicht mehr aus – was aufgrund seiner seelsorglichen Freistellung nicht auffiel – und hielt sich mit seiner Frau an alle Folgen der ipso facto eingetretenen Exkommunikation. Das Paar lebte seine Ehe geheim, seit Herbst 1913 in München, bis Joseph Bernhart schließlich im Herbst 1918 von der Gültigkeit der in England geschlossenen Ehe auch im Heimatland erfuhr und hierauf den Augsburger Bischof informierte.

Erst 1939 erhielt das Paar – um keinen Präzedenzfall zu schaffen – lediglich „pro foro interno“ (für den Gewissensbereich) die Zulassung zu den Sakramenten und 1942 die Aufhebung der Exkommunikation und die Laisierung, nicht aber die Dispens vom Zölibat, vielmehr die Auflage des Zusammenlebens wie Bruder und Schwester.

Nach der Heirat in London versuchte Bernhart, in Berlin wirtschaftlich Fuß zu fassen. Als freier Schriftsteller litt er unter der Last, um das tägliche Brot schreiben zu müssen. Zum Wintersemester 1914/15 immatrikulierte er sich an der Universität München mit dem Hauptfach Kunstgeschichte, erneut mit dem Ziel, den philosophischen Doktorgrad zu erwerben. Die Bemühungen zur Promotion in München blieben – wohl nicht zuletzt aufgrund seiner zahlreichen Buchprojekte und Vorträge – ergebnislos.

Neben wirtschaftlichen Gründen waren es die befürchteten Nachstellungen der nationalsozialistischen Machthaber, die ihn im Sommer 1934 dazu bewogen, mit seiner Frau von München nach Türkheim zu ziehen.

Unter dem Eindruck des Kriegsausbruchs schrieb er 1939 im Dezember-Heft der Zeitschrift „Hochland“ die kühne Weihnachtsbetrachtung „Hodie“. Noch vor der Auslieferung beschlagnahmten die Machthaber das Heft. Zunächst blieb er unbehelligt, doch im Juni 1941 erhielt er mit dem Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer Publikationsverbot.

Ende 1943 stürzte ihn der Tod der geliebten Ehefrau in eine tiefe Depression. Dank des Aufenthalts bei guten Freunden, konnte er allmählich wieder Lebenskraft gewinnen, sodass er seit Juni 1944 wieder Vorträge hielt.

Nach dem Krieg half Joseph Bernhart durch seine weitreichende Vortragstätigkeit, Wege einer ehrlichen Aufarbeitung der Vergangenheit aufzuzeigen, sich den entsetzlichen Verbrechen und Gräueltaten zu stellen und die Basis für einen geistigen Neuaufbau der Gesellschaft auf christlichem Fundament zu bereiten. Es folgten zahllose Vorträge an Universitäten, Akademien und Volkshochschulen vor Lehrern, Geistlichen und gemischtem Publikum – meist mit mehreren Hundert Zuhörern.

Erst im April 1952 erfolgte seine Ernennung zum Honorarprofessor für Geistesgeschichte des Mittelalters in der Philosophischen Fakultät der Universität München.

Joseph Bernhart stand in den Nachkriegsjahren auf dem Höhepunkt seines Schaffens und seiner breiten Bekanntheit. Zahlreiche Ehrungen häuften sich, wie 1949 die Mitgliedschaft in der neugegründeten Bayerischen Akademie der Schönen Künste, 1950 die Mitgliedschaft in der Società di Cultura in Venedig und 1956 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Bis zu seinem Tod arbeitete er mit großem Eifer an zahlreichen Publikationen, darunter seine Lebenserinnerungen. Hierbei hatte er in Franziska Wenger eine treue Helferin gefunden.